Langschläfer und Frühaufsteher – weshalb es unterschiedliche Schlaftypen gibt
Die einen sind morgens ausgeschlafen und produktiv, andere sind vor 10 Uhr quasi nicht ansprechbar und ab 18 Uhr plötzlich voller Energie und Tatendrang – die Aktivitäts- und Leistungsphasen der Menschen sind unterschiedlich, das fällt uns vor allem bei den Personen auf, mit denen wir unter einem Dach leben. Was hinter dem Modell der beiden Chronotypen Eule und Lerche steckt und wie das Wissen darüber eure Lebensqualität verbessern kann, erklären wir euch in diesem Artikel.
Eule und Lerche – was diese Vögel mit unserem Schlafrhythmus zu tun haben
Von der Unterteilung der Menschen in Eulen und Lerchen habt ihr vielleicht schon mal gehört, denn die gibt es schon ziemlich lange. 1896 erforschte der deutsche Psychiater Emil Kraepelin arbeitspsychologische Zusammenhänge von Ermüdung bei der Arbeit. Einige Probanden gingen lieber früher ins Bett, während andere lieber länger wach blieben und auch später aufwachten. Hierbei erkannte das Forschungsteam auch die sogenannte "Circadiane Rhythmik", also die Leistungsschwankungen im Tagesverlauf. Die beiden unterschiedlichen Schlaf-Typen, die sich herauskristallisierten, teilte man in die Gruppe der Eulen und die der Lerchen auf – eine Typologie, die man bis heute nutzt, um Frühaufsteher und Langschläfer zu unterscheiden.
Lerchen sind der Inbegriff des frühen Vogels, bereits 80 Minuten vor Sonnenaufgang starten sie ihr Konzert – vermutlich zum Unmut der meistern Langschläfer. Abends gehören Lerchen dann aber auch zu den ersten Vögeln, die wieder verstummen, entsprechend repräsentieren sie die Gruppe der Frühaufsteher. Die Rufe der Eule hört man hingegen nur nachts, denn sie gehört zu den Tagschläfern und repräsentiert daher die Gruppe der Langschläfer.
Chronotyp und zirkadianer Rhythmus – Taktgeber für unseren Schlaf
Chronotyp, zirkadianer Rhythmus oder Biorhythmus, es gibt einige Fachbegriffe aus der Schlafforschung, die wichtig sind, um zu verstehen, was der Forschung rund um die Schlaftypen von Eule und Lerche zugrunde liegt.
So beeinflusst der zirkadiane Rhythmus unseren Schlaf
Der zirkadiane Rhythmus beschreibt die Veränderung von zellulären, molekularen und biologischen Prozessen, die innerhalb von 24 Stunden in unserem Körper stattfinden. Dazu zählen beispielsweise unsere Körpertemperatur, die Veränderung verschiedener Hormone im Körper, wie zum Beispiel Cortisol, Melatonin und Testosteron, aber auch unser Stoffwechsel mit dem Energieverbrauch unseres Körpers und auch Herzfrequenz und Blutdruck unterliegen einem zirkadianen Rhythmus und verändern sich im 24 Stunden Zyklus. Der zirkadiane Rhythmus wird maßgeblich durch externe Faktoren wie Licht und Dunkelheit beeinflusst und wird durch die zentrale biologischen "Uhr" des Körpers in unserem Gehirn reguliert. DASS diese Veränderungen stattfinden, ist bei allen Menschen gleich. Weil in Zeiten von Lampen und Bildschirmen der Wechsel der Tageszeiten nicht mehr ausschließlicher Signalgeber in unserem Gehirn gilt, driftet der Zeitpunkt WANN diese Prozesse jeweils stattfinden immer weiter auseinander.
So bestimmt unser Chronotyp das Schlafverhalten
Während der zirkadiane Rhythmus also eine festgelegte Veränderung bestimmter Prozesse beschreibt, bestimmt der Chronotyp, WANN diese im jeweiligen Organismus stattfinden. Der zirkadiane Rhythmus ist durch veränderte Lichtverhältnisse im Wechsel der Jahreszeiten, durch Schichtarbeit oder auch Koffeinkonsum nämlich relativ formbar. Unser Chronotyp ist dagegen genetisch festgelegt und weitgehend unveränderlich. Übertragen auf das Beispiel der Vögel wird das Ganze vielleicht noch einfacher verständlich: Wann Lerche oder Eule aktiv werden, verschiebt sich mit den Jahreszeiten teilweise um mehrere Stunden, dennoch werden sie ihre Eigenschaften als früher Vogel oder Tagschläfer deswegen ja nicht komplett ablegen.
Es wird geschätzt, dass es insgesamt mehr als 20 Gene gibt, die direkt oder indirekt an der Regulation unserer inneren Uhr beteiligt sind. Diese Gene bilden komplexe molekulare Schaltkreise, die die Aktivität von Proteinen und die Expression anderer Gene im Laufe des Tages regulieren und die Dauer unseres zirkadianen Rhythmus zu bestimmen.
Klingt also doch alles erst mal so, als sei unser Körper genetisch betrachtet perfekt auf den 24 Stunden-Rhythmus unserer Gesellschaft geschaffen – oder etwa doch nicht?
Eure innere Uhr ist kein Schlafproblem, sondern eins mit dem Rhythmus unserer Gesellschaft
Das Problem an der Sache: Bei den wenigsten Menschen ist die innere Uhr wirklich auf 24 Stunden getaktet. Umso weiter unsere genetisch bestimmte innere Uhr von dem gesellschaftlich vorbestimmten Rhythmus abweicht, desto schwerer fällt es uns, abends rechtzeitig ins Bett zu gehen und morgens ausgeschlafen zu sein, wenn der Wecker klingelt.
Individuelle Abweichungen unseres zirkadianen Rhythmus vom angenommenen 24 Stunden-Zyklus wurden bereits in den 1960er Jahren durch das Max-Planck-Institut für Verhaltensphysiologie festgestellt. In einer Studie zogen rund 300 Freiwillige für einige Wochen in einen Bunker ein. Abgeschirmt von Tageslicht, Fernsehen und vor allem ohne Uhren nutzten vor allem Studierende die Gelegenheit, um sich auf ihre Prüfungen vorzubereiten. Den Bunker verlassen durfte man jederzeit und durch das Fehlen einer Zwangs-Komponente schafften es die meisten Probanden, die Studie bis zum Ende durchzuhalten.
Ihr Leben folgte auch ohne Uhr und Tageslicht einem strikten Rhythmus, eben dem zirkadianen Rhythmus. Bei den allermeisten Probanden dauerte dieser jedoch nach einigen Tagen deutlich länger als 24 Stunden, bei manchen auch etwas kürzer. Teilweise verschob sich der Ablauf nach einigen Wochen um mehrere Stunden oder sogar ganze Tage.
Worin unterscheiden sich also nun die beiden Schlaftypen Eule und Lerche?
Im Bunker-Experiment des Max-Planck-Instituts für Verhaltensphysiologie wurde der Unterschied zwischen den beiden Chronotypen Eule und Lerche wunderbar anschaulich:
Bei Lerchen läuft die innere Uhr schnell, ihr zirkadianer Rhythmus ist meist schon nach 23 Stunden abgeschlossen. Entsprechend waren viele Frühaufsteher nach einigen Wochen im Bunker der echten Tageszeit voraus und hatten teils Stunden und Tage hinzugewonnen. Beim Chronotyp Eule läuft die innere Uhr hingegen langsamer und der zirkadiane Rhythmus dauert deutlich länger als 24 Stunden. Nach einigen Wochen im Bunker hatten die Langschläfer teils mehrere Tage verloren. Viele Eulen brauchen morgens extrem lange, um in Gang zu kommen und fühlen sich durch beruflich vorgegebene Schlafenszeiten oft in ihrem abendlichen Tatendrang gebremst – mehr dazu im Artikel zum Thema bedtime progcrastination. Entsprechend klappt es dann auch mit dem Einschlafen nicht, wenn man in der produktivsten Phase des Tages plötzlich „abbrechen“ und zur Ruhe kommen soll. So ziehen Eulen nach einer fünftägigen Arbeitswoche meist ein erhebliches Schlafdefizit mit sich, welches am Wochenende ausgeglichen werden muss.
Schlafmediziner nennen das auch den sozialen Jetlag. Er beschreibt die Diskrepanz zwischen den natürlichen biologischen Rhythmen einer Person und den sozialen Anforderungen, insbesondere den Zeitplänen, die durch Arbeitszeiten, Schule, soziale Verpflichtungen usw. festgelegt sind. Diese Diskrepanz tritt auf, wenn eine Person gezwungen ist, gegen ihren inneren biologischen Rhythmus zu handeln.
Im Allgemeinen kommen Lerchen mit dem gesellschaftlich vorgegebenen Rhythmus besser zurecht als Eulen. Dennoch haben nur wenige Menschen das Glück, genau in das 24 Stunden Muster zu passen. Für extreme Typen unter den Lerchen sind abendliche Verabredungen eine Zumutung und ein Arbeitsbeginn um 6 Uhr morgens käme ihnen gerade recht – so viel Flexibilität bieten jedoch nur die wenigsten Gleitzeitmodelle.
Wie wird man von der Nachteule zum Frühaufsteher?
Kann man seinen Chronotypen ändern und die innere Uhr den Arbeitsbedingungen anpassen? Eigentlich haben wir die Frage weiter oben ja schon beantwortet: Zu welchem Chronotyp man gehört und wie die innere Uhr tickt, lässt sich leider nicht ändern, da es genetisch vorbestimmt ist. Auch wenn die Eule an sieben Tagen in der Woche um dieselbe Uhrzeit aufsteht und das auch irgendwann gar nicht mehr so schwerfällt, weil sie sich daran gewöhnt hat, wird sie auf Dauer ein Schlafdefizit haben und sich gerädert fühlen, weil dies nicht ihren individuellen Bedürfnissen entspricht. Wie viel Schlaf wir tatsächlich benötigen, um gesund zu bleiben, könnt ihr hier nachlesen. Umgekehrt hilft es der Lerche, wenn sie viele Aufgaben des Tages möglichst früh erledigen kann, weil es ihr am späten Nachmittag schwerfällt, sich zu konzentrieren. Trotzdem gibt es eine Komponente, mithilfe derer sich zumindest die Dauer des zirkadianen Rhythmus beeinflussen lässt: Es ist das Tageslicht.
Tageslicht als wichtiger Taktgeber der inneren Uhr
Licht beeinflusst den Wechsel von Aktivität und Müdigkeit in unserem Gehirn in hohem Maße, es ist unser wichtigster Taktgeber. In unseren Augen gibt es sogenannte fotosensitive Ganglienzellen, welche Helligkeit zu erkennen und diese der Uhr im Gehirn melden. Diese Zellen reagieren besonders stark auf blaues Licht, welches vor allem im Tageslicht vorkommt, aber auch in den Bildschirmen von Smartphone, Tablet & Co. Je mehr Tageslicht wir ausgesetzt sind, desto besser gleicht unser Körper die Ungenauigkeiten der inneren Uhr aus und desto weniger ausgeprägt zeigen sich die Chronotypen von Eule und Lerche.
Leider hat der Wechsel von Sonnenaufgang und -untergang in unseren Breitengraden nur selten den zum Arbeitsalltag passenden Rhythmus. Im Winter ist es viel zu oft dunkel, im Sommer viel zu früh und zu lange hell – hier erklärt sich aber auch, weshalb viele Menschen im Sommer besonders energiegeladen und im Winter dauerhaft müde sind (Mehr Infos dazu findet ihr in unserem Artikel zum Thema Wintermüdigkeit). Hinzu kommt, dass wir unsere Sinneszellen mit der allabendlichen Bildschirmzeit aus dem Takt bringen, dies kann dazu führen, dass der Körper Schwierigkeiten hat, sich auf den Schlaf vorzubereiten.
Besonders für Eulen gibt es deshalb einen wichtigen Tipp: Wer abends gerne Serien schaut oder lange am Smartphone scrollt, sollte unbedingt Blaulichtfilter benutzen. Die meisten moderne Geräte bieten so eine Funktion inzwischen an und so könnt ihr verhindern, dass die Produktion von Melatonin in eurem Gehirn unterdrückt wird. Denn normalerweise beginnt der Körper, Melatonin zu produzieren, wenn es dunkel wird, um den Schlaf vorzubereiten.
Neben dem Reduzieren der Bildschirmzeit gibt es aber noch einen zweiten, wertvollen Tipp für alle Schlaftypen, um abends müde zu sein: Verbringt so viel Zeit wie möglich unter freiem Himmel. Wenn wir uns tagsüber zu viel drinnen Räumen aufhalten, befinden wir uns „chronobiologisch im Halbdunkel“. Dadurch gerät unser zirkadianer Rhythmus zusätzlich aus dem Gleichgewicht, denn in ihm wird über das Tageslicht ja unter anderem die Melatonin-Ausschüttung geregelt. Zu wenig Zeit im Freien führt dazu, dass man tagsüber nicht so wach wird, wie man könnte und abends eben auch nicht zur richtigen Uhrzeit müde. Toller Tipp für Vollzeit Berufstätige oder Schichtarbeitende, denkt ihr euch jetzt vermutlich, doch vielleicht könnt ihr ja zumindest versuchen, in der Mittagspause für ein halbes Stündchen spazieren zu gehen oder an schönen Tagen mit dem Fahrrad zum Einkaufen zu fahren. Und wenn das auch nicht klappt, wisst ihr jetzt zumindest, was die Ursache dafür sein könnte, wenn ihr abends oft nicht müde seid, obwohl ihr in den Nächten zuvor eigentlich immer zu wenig geschlafen habt und morgens kaum aus dem Bett gekommen seid.
…Nicht so ganz gesund, wo unser gesellschaftlich vorbestimmtes Leben uns da hinträgt…Nicht so ganz fair mit den genetisch vorbestimmten Chronotypen…So eine Eule und eine Lerche, die haben‘s gut, denn sie können sich ihrem zirkadianen Rhythmus voll und ganz hingeben und ihn mit dem Tageslicht der Jahreszeiten abwandeln.