Powernap – so wird das Kurzschläfchen zur richtigen Erholung
In der Mittagspause für 10-20 Minuten dösen und anschließend erholt sein? Klingt zu schön, um wahr zu sein, oder? Denn wir alle wissen, wie es sich anfühlt, wenn man nach einem kurzen Schläfchen wieder aufgeweckt wird, nämlich vollkommen gerädert. Damit ein Powernap erholsam kann, braucht es also ein wenig Strategie. Wir zeigen, wie der Kurzschlaf wirklich erholsam sein kann.
Was unterscheidet einen Powernap vom klassischen Mittagsschlaf
Mittagsschlaf macht jedes Kind und dann meist bis ins hohe Alter nicht mehr. Obwohl wir uns als Erwachsene in einem stressigen Alltag oft danach sehen würden, ist zeitlich nicht daran zu denken. Doch während ein Mittagschlaf schon mal 1-2 Stunden in Anspruch nehmen kann, ist der Powernap in 10-20 Minuten erledigt. Und wenn ihr jetzt denkt, so schnell kann doch niemand einschlafen, liegt ihr richtig, denn beim Powernap handelt es sich eher um ein Dösen oder Nickern. Deshalb ist es auch besonders wichtig, dass das Nickerchen nicht länger als 30 Minuten dauert. Dann tauchen viele Menschen bereits in die Tiefschlafphase ein, bei der Körper und Geist am weitesten herunterfahren und es daher besonders unangenehm ist, wenn man aus dieser tiefen Entspannung plötzlich herausgerissen wird. Es gibt zahlreiche Studien, die belegen, dass diese kurze Erholung bereits positive Auswirkungen auf unsere Konzentrationsfähigkeit, aber auch unseren Blutdruck und das allgemeine Wohlbefinden haben kann – wenn man es richtig macht.
Deshalb ist es völlig normal, dass wir mittags oft müde sind
Das Mittagstief, oft als "Post-Lunch-Dip" bezeichnet, ist ein Phänomen, bei dem viele Menschen am frühen Nachmittag eine Abnahme der Energie und Konzentration erleben – und zwar unabhängig davon, ob etwas gegessen wurde oder nicht. Es handelt sich dabei also nicht um die klassische Futtermüdigkeit. Dieser Zustand tritt typischerweise zwischen 13 und 15 Uhr auf und ist ein normales und erwartetes Ereignis im Rahmen des zirkadianen Rhythmus.
Dass das Mittagstief wirklich genetisch in uns verankert ist, konnte der Chronobiologe Jürgen Aschoff in den 1960er-Jahren in einem Bunker-Experiment nachweisen. Freiwillige Teilnehmer lebten mehrere Wochen lang in einem isolierten Bunker ohne natürlichen Licht- und Zeitgeber. Die Teilnehmer hatten keinen Zugang zu Uhren oder anderen Mitteln zur Zeitmessung. Die Forscher überwachten verschiedene physiologische Parameter wie Körpertemperatur, Schlaf-wach-Zyklen und hormonelle Veränderungen. Der zirkadiane Rhythmus ist ein biologischer Prozess, der etwa alle 24 Stunden abläuft und eine zentrale Rolle bei der Regulierung von Schlaf, Wachheit, Hormonproduktion und anderen physiologischen Funktionen spielt. Dieser innere Zeitgeber wird hauptsächlich durch externe Faktoren wie Licht und Dunkelheit beeinflusst.
Nach einigen Wochen zeigte sich, dass durchaus nicht jeder Mensch einem 24-Stunden Rhythmus folgen würde, wenn uns der gesellschaftliche Rhythmus nicht dazu zwingen würde. Einige schliefen sehr lang, waren danach aber auch sehr lange wach, sodass sie, gemessen am vorgegebenen 24-Stunden Rhythmus nach einiger Zeit im Bunker mehrere Tage verloren hatten. Andre lebten hingegen viel „schneller“. Sie schliefen mit ca. 7 Stunden eher kurz, dafür dauerte ihr Tag aber deutlich weniger lang und sie gingen früh ins Bett. Sie hatten nach einigen Wochen im Bunker so quasi mehrere Tage hinzugewonnen, da ihre innere Uhr schneller lief als die der Welt draußen.
Trotz des fehlenden externen Zeitgebers und aller Individualitäten zeigten die Teilnehmer regelmäßig ein Mittagstief und viele schliefen sogar kurz ein. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die von vielen Menschen erlebte Abnahme von Energie und Wachsamkeit am Nachmittag eine natürliche Komponente des zirkadianen Rhythmus ist.
2x pro Tag schlafen historisch betrachtet normal
Es gibt sogar Forscher, die den biphasischen Schlaf, also Schlaf in zwei Phasen, für das eigentlich natürliche Schlafmuster des Menschen halten.
Biphasischer Schlaf bezieht sich auf ein Schlafmuster, bei dem der Schlaf in zwei getrennte Phasen oder Abschnitte aufgeteilt wird, anstatt in einer einzigen, kontinuierlichen Schlafperiode zu schlafen. Dieses Schlafmuster war in vielen traditionellen Kulturen üblich und wird manchmal auch heute noch praktiziert – beispielsweise die in Spanien oder Griechenland verbreitete Siesta.
Historisch gesehen war dies in vielen Kulturen ein häufiges Schlafmuster, denn unsere Vorfahren hatten schlicht kein künstliches Licht. Sie gingen daher ins Bett, wenn es dunkel wurde. Besonders im Winter beträgt die dunkle Tageszeit in vielen Breitengraden ja aber bis zu 16 Stunden – viel mehr, als der menschliche Organismus zum Schlafen benötigt. In der Folge schliefen die Menschen meist 4-5 Stunden am Stück, waren dann wieder 2-3 Stunden wach, in denen sie ruhigen Tätigkeiten im Haus nachgingen. Anschließend schliefen sie noch einmal 3-4 Stunden, bis es hell wurde.
Historische Aufzeichnungen aus mittelalterlichen europäischen Texten belegen, dass biphasischer Schlaf weit verbreitet war. Der Begriff "first sleep" und "second sleep" taucht in Literatur und Tagebüchern dieser Zeit häufig auf.
Mit dem plötzlichen Wachstum von künstlicher Beleuchtung änderte sich das Schlafverhalten der Menschen dramatisch. Der Tag konnte und musste (mit der Industrialisierung) immer effizienter ausgenutzt werden. Die Menschen blieben abends also immer länger wach, mussten morgens aber dennoch früh aufstehen, wodurch sie im Laufe des Tages immer müder wurden.
Die Forschungen zum Mittagstief und die Erkenntnisse zum bipolaren Schlaf zeigen also, dass es durchaus normal ist, wenn wir mittags eine Ruhepause brauchen. Da der heutige gesellschaftliche Rhythmus einen richtigen Mittagsschlaf nicht mehr hergibt, kann es durchaus Sinn machen, einmal auszuprobieren, ob euch der Powernap dabei helfen kann, ausgeschlafener durch den Tag zu kommen.
Anleitung fürs Powernaping – so wird der Kurzschlaf erholsam
Die optimale Dauer für einen Powernap liegt bei ca. 20 Minuten. Länger als 30 Minuten sollte der Kurzschlaf auf keinen Fall dauern, denn dann gleiten wir nach der Einschlaf- und der Leichtschlafphase in die Tiefschlafphase herab, aus der es sich nur schwer wieder aufwachen lässt. Das Geheimnis eines erholsamen Powernaps liegt also im Timing. Einfach einen Wecker stellen ist aber gar nicht so einfach, denn wer weiß vorher schon so genau, wie lange er braucht, um überhaupt einzuschlafen. Praktikabler ist daher schon eher der Tipp mit dem Schlüssel-Schlaf. Dazu haltet ihr während des Powernaps einen Schlüsselbund in der Hand. In dem Moment, wo ihr fest einschlaft, lässt die Körperspannung nach, der Schlüsselbund wird klirrend auf den Boden fallen und euch aufwecken.
Für anfängliche Versuche des Powernapings ist die Nutzung einer Schlaf-Tracker Uhr die sicherste Methode, um herauszufinden, ob das Kurzschläfchen für euch eine sinnvolle Sache ist. Dazu müsst ihr gar nicht unbedingt eine eigene Smartwatch besitzen. Es genügt, wenn ihr mithilfe einer ausgeliehenen Uhr einige Tage lang testen könnt, wie lange ihr zum Einschlafen benötigt und wann Ein- und Leichtschlafphase eingetroffen sind. Schlaf-Tracker können nämlich messen, in welcher Schlafphase ihr euch gerade befindet und euch zum optimalen Zeitpunkt aufwecken, bevor ihr in den Tiefschlaf sinkt. Durch die Überwachung der Schlafqualität könnt ihr feststellen, ob ein Powernap für euch tatsächlich erholsam ist oder ob ihr eventuell Änderungen an der Routine vornehmen müsst. Die Uhr kann euch beispielsweise dabei helfen, die optimale Uhrzeit für den Kurzschlaf zu ermitteln, denn nicht jeder hat sein Mittagstief um dieselbe Uhrzeit. Wenn ihr eurer individuelles Mittagstief herausgefunden habt, solltet ihr aber versuchen, jeden Tag um dieselbe Uhrzeit mit den Powernap zu starten. So lässt sich mithilfe des Schalftrackers eine konsistente Napping-Routine erarbeiten, wodurch Einschlafdauer und Erholungseffekt immer weiter optimiert werden können.
Vermutlich habt ihr bereits eine Vermutung, ob ein Powernap für euch funktionieren kann. Personen, die abends bereits eine halbe Stunde oder länger zum Einschlafen brauchen, werden mittags vermutlich auch nicht in einem verfügbaren Zeitrahmen einschlafen können. Ein Schläfchen auf dem Schreibtisch ist schon gar nichts für jedermann. Trotzdem solltet ihr nicht sofort aufgeben, wenn es nicht auf Anhieb klappt. Änderungen am Schlafverhalten können nicht von heute auf Morgen herbeigeführt werden, es benötigt schon etwas Konsistenz und Durchhaltevermögen, bis unser Körper dem Abschalten zur Mittagszeit etwas abgewinnen kann und wir uns danach merklich erholt fühlen.
Wie kann es sein, dass ein 20 Minuten Powernap erholsam ist?
Eigentlich besteht der Schlafzyklus eines Menschen aus vier verschiedenen Phasen, in denen im Körper ganz unterschiedliche Regenerations-, Verarbeitungs- und Aufbauprozess stattfinden. Die wichtigsten dieser Prozesse finden definitiv in der dritten und vierten Phase eines Schlafzyklus statt. Damit wir uns am Ende einer Nacht wirklich erholt fühlen, müssen wir die Abfolge der vier Schlafphasen auch mindestens vier bis sechsmal wiederholt haben. Also wie kann es sein, dass nach den ersten 20 Minuten eines angebrochenen Schlafzyklus bereits ein Erholungseffekt eintritt?
Adenosin ist ein Neurotransmitter, der eine wichtige Rolle bei der Regulierung des Schlaf-Wach-Rhythmus spielt. Im Laufe des Tages steigt der Adenosinspiegel im Gehirn an, was zu einem zunehmenden Gefühl von Müdigkeit führt. Ein kurzer Nap hilft bereits dabei, den Adenosinspiegel signifikant zu senken, wodurch wir uns anschließend wacher und konzentrierter fühlen. Während des Leichtschlafs entspannen sich die Neuronen im Gehirn, was zur Reduktion von neuronaler Erschöpfung und zur Wiederherstellung der kognitiven Funktionen beiträgt.
Auch das Wachstumshormon Somatropin wird vom Gehirn bereits in der Einschlafphase in die Blutbahn freigesetzt. Somatropin regt Regenerationsprozesse in Zellen und Geweben an. Dadurch fördert es einerseits die Wundheilung und unterstützt andererseits die Gehirnfunktion und das Gedächtnis. Es geht hier weniger um die Länge des Schlafs als um das Einschlafen an sich, damit bestimmte Regenerationsprozesse in Gang gesetzt werden.
Es gibt einige Bausteine für unsere Erholung, die bereits in der Einschlaf- und Leichtschlafphase stattfinden. Das konnte die NASA bereits 1995 in einer Studie belegen: Damals wurden im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit und Wachsamkeit von Astronauten und Flugzeugpiloten Studien zum Thema Powernaping durchgeführt. Laut den Ergebnissen kann ein Powernap von etwa 26 Minuten die Leistung um bis zu 34 % und die Wachsamkeit um bis zu 54 % steigern.
Für wen ist ein Powernap eher ungeeignet?
Letzten Endes ist es eine ganz individuelle Sache, ob man dem System des Powernapings etwas abgewinnen kann oder auch nicht. Herausfinden werdet ihr das aber nur, indem ihr es ausprobiert und der Sache eine Chance gebt. Auch wenn ihr euch in einer der folgenden Kategorien wiederfindet, bedeutet das also nicht, dass ein Powernap in eurem individuellen Fall nicht trotzdem als erholsam empfunden werden kann.
Menschen mit Ein- und Durchschlafstörungen
Menschen, die Probleme haben, schnell einzuschlafen oder durchzuschlafen, brauchen abends einen hohen Schlafdruck, also müssen sehr müden sein, um überhaupt einschlafen zu können. Ein kurzes Schläfchen untertags kann sich so schon kontraproduktiv auf den Einschlafprozess am Abend auswirken – und der ist für unsere Erholung viel relevanter als ein Powernap und sollte daher ganz klar priorisiert werden.
In der Regel wird das aber auch keine Herausforderung darstellen, denn vielen Personen mit Einschlafstörungen wird es vermutlich auch nach einigen Wochen des Ausprobierens nicht gelingen, mittags in einem angemessenen Zeitraum einzuschlafen. Schon gar nicht dann, wenn der mögliche Schlafplatz für das Mittags-Nickerchen nicht zu Hause ist, sondern etwa auf dem Fahrersitz des Autos oder gar im Büro auf dem Schreibtisch.
Schichtarbeiter
Schichtarbeiter haben oft einen gestörten zirkadianen Rhythmus, da ihre Arbeitszeiten gegen den natürlichen Schlaf-Wach-Zyklus arbeiten. Ein Powernap kann diesen Rhythmus weiter durcheinanderbringen, insbesondere dann, wenn er aufgrund des unregelmäßigen Schlafmusters nicht immer zu derselben Uhrzeit durchgeführt werden kann.
Häufig sind Schichtarbeiter ohnehin von Schlafstörungen betroffen, die sich insbesondere durch einen gestörten Tiefschlaf bemerkbar machen. Hier kann ein Powernap – ähnlich wie bei Menschen mit Einschlafstörungen – dafür sorgen, dass die Müdigkeit zur eigentlichen Schlafenszeit nicht mehr hoch genug ist, um tief ein- und anschließend durchzuschlafen. Auch in diesem Fall wisst ihr vermutlich selbst am besten, ob euch ein Powernap helfen könnte, oder ob er euerem Schlafrhythmus nur noch mehr durcheinanderbringen würde.
Menschen mit Depressionen
Es klingt unglaublich, doch Schlafentzug wird seit langem als kurzfristiges Mittel gegen Depressionen eingesetzt. In so einem Fall wäre ein zusätzlicher Powernap eher nicht zu empfehlen. Die Wirkung von Schlafentzug auf depressive Symptome ist ein komplexes und noch nicht vollständig verstandenes Phänomen. Im Grunde genommen beeinflusst der Schlaf-Wach-Rhythmus die Ausschüttung von Hormonen und Neurotransmittern. Durch Schlafentzug kann dieser Rhythmus vorübergehend verändert werden, was die Symptome einer Depression lindern kann. Ein Schlafentzug kann als eine Art "Reset" für das Gehirn wirken, der die neuronalen Netzwerke neu kalibriert und somit depressive Symptome lindern kann.
Medikamente und Krankheiten
Personen, die unter Schlafapnoe leiden oder Medikamente einnehmen, welche den Schlaf, die Wachsamkeit oder auch den Blutdruck steuern, sollten ggf. erst mit einem Arzt Rücksprache halten, bevor sie es mit dem Powernaping versuchen.